EuGH bestätigt: Lose dürfen zum günstigsten Gesamtpreis vergeben werden
Wie dürfen öffentliche Auftraggeber:innen Lose vergeben, wenn es um den günstigsten Preis geht? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat dazu im Juni 2024 eine viel beachtete Entscheidung getroffen. Das Urteil bringt Klarheit für Vergabestellen und Bieter:innen und zeigt, dass auch kreative Vergabemodelle zulässig sein können – vorausgesetzt, sie sind transparent in den Ausschreibungsunterlagen geregelt.
Hintergrund des EuGH-Verfahrens
In einem offenen Vergabeverfahren wurden Lieferungen von Bibliotheksmaterialien in mehrere Lose aufgeteilt. Der Zuschlag sollte nach dem Billigstbieterprinzip erfolgen. Vorgesehen war, dass der preislich günstigste Bieter das größere Los erhalten. Dem zweitgereihten Bieter wurde angeboten, das zweite Los zu den gleichen Preisen wie der Erstgereihten zu übernehmen. Lehnte er ab, ging die Möglichkeit an den nächstgereihten Bieter weiter. Nur wenn niemand akzeptierte, erhielt der günstigste Bieter beide Lose.
Ein Bieter bekämpfte diese Vorgehensweise mit dem Argument, sie verstoße gegen das Verhandlungsverbot. Er sah in der nachträglichen Preisangleichung eine Änderung der Angebote, die mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Transparenz nicht vereinbar sei.
Entscheidung des EuGH: Kein Verstoß gegen Vergaberecht
Der Europäische Gerichtshof stellte klar, dass in diesem Modell keine unzulässige Angebotsänderung erfolgt. Maßgeblich ist die ursprüngliche Reihung nach den angebotenen Preisen. Diese Reihenfolge bleibt unverändert, da kein Bieter die Möglichkeit hat, seinen Preis nachträglich zu verbessern. Vielmehr entscheidet er lediglich, ob er ein Los zu den Bedingungen des Erstgereihten annimmt oder nicht.
Damit liegt nach Auffassung des Gerichtshofs kein Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz vor. Die Vergabemodalität ist daher zulässig, solange sie von Beginn an in den Ausschreibungsunterlagen klar und eindeutig festgelegt wird.
Bedeutung für die Vergabepraxis
Das Urteil bringt sowohl Auftraggeber:innen als auch Bieter:innen Rechtssicherheit. Öffentliche Stellen erhalten mehr Spielraum, Lose effizient und kostengünstig zu vergeben. Gleichzeitig können Unternehmen darauf vertrauen, dass die Spielregeln transparent sind und ihre Chancen auf Zuschläge nicht durch nachträgliche Änderungen beeinflusst werden.
Besonders bei Verfahren mit mehreren Losen eröffnet die vom EuGH bestätigte Methode interessante Möglichkeiten. Sie erlaubt es, mehr als nur einem Unternehmen einen Zuschlag zu erteilen und dennoch sicherzustellen, dass der Auftrag zum günstigsten Gesamtpreis vergeben wird.
Fazit: Mehr Rechtssicherheit für Auftraggeber:innen und Bieter:innen
Die Entscheidung des EuGH zeigt, dass innovative Vergabemodelle zulässig sind, solange sie rechtssicher ausgestaltet werden. Entscheidend ist eine präzise und transparente Darstellung der Vorgehensweise in den Ausschreibungsunterlagen. Unternehmen und Bieter:innen sollten daher genau prüfen, wie Lose im Einzelfall vergeben werden sollen und welche Chancen sich daraus ergeben.
Bleiben Sie informiert
Möchten Sie regelmäßig Updates zu aktuellen Urteilen, Praxistipps und Trends im Vergaberecht erhalten?
Abonnieren Sie unseren Newsletter und folgen Sie uns auf LinkedIn, um keine wichtigen Neuigkeiten zu verpassen.