Vergabeabsprachen: OGH präzisiert Doppelbestrafungsverbot
Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH, 17.5.2024, 16 Ok 5/23f) zeigt, wie ernst die österreichischen Gerichte das Thema Vergabeabsprachen nehmen und dass Unternehmen auch nach einem strafrechtlich erledigten Verfahren noch mit kartellrechtlichen Folgen rechnen müssen.
Der Fall in Kürze
Ein Unternehmen stimmte gemeinsam mit zwei Mitbewerber:innen ihre Angebote bei Studienvergaben ab. Ziel war es, einem bestimmten Unternehmen den Zuschlag zu sichern. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) leitete ein Strafverfahren wegen verbotener Absprachen ein. Dieses wurde jedoch diversionell beendet – also ohne Schuldspruch, gegen gemeinnützige Leistungen und Kostenbeitrag.
Parallel dazu beantragte die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) eine kartellrechtliche Sanktion nach dem Kartellgesetz. Nachdem das Strafverfahren abgeschlossen war, ging es nur noch um die Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes. Das Kartellgericht lehnte dies zunächst mit der Begründung ab, es liege ein unzulässiges „Doppelverfahren“ vor. Doch der OGH sah das anders.
Was der OGH entschieden hat
Der OGH stellte klar: Das sogenannte Doppelbestrafungsverbot („ne bis in idem“)
wird nicht verletzt, wenn zwischen Straf- und Kartellverfahren ein enger inhaltlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. Eine diversionelle Erledigung ist keine echte Strafe und entfaltet daher keine Sperrwirkung. Auch wenn ein Strafverfahren beendet ist, kann die Wettbewerbsbehörde weiterhin feststellen, dass ein Verstoß gegen das Kartellrecht vorliegt. Beides gilt als komplementäre Sanktion, also als rechtlich zulässige Ergänzung.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Das Urteil hat erhebliche praktische Bedeutung für Auftragnehmer:innen und Bieter:innen bei öffentlichen Ausschreibungen:
- Diversion schützt nicht vor weiteren Verfahren: Wer in einem Strafverfahren mit einer Diversion davonkommt, kann trotzdem noch kartellrechtlich belangt werden.
- Kartellrechtliche Risiken bleiben bestehen: Selbst eine bloße Feststellung eines Verstoßes kann Folgen haben – etwa zivilrechtliche Schadenersatzforderungen oder Reputationsverlust.
- Compliance wird wichtiger denn je: Unternehmen sollten ihre internen Prozesse bei Ausschreibungen kritisch prüfen und sicherstellen, dass keine informellen Preis- oder Angebotsabsprachen stattfinden.
Fazit
Das OGH-Urteil stärkt die Position der Wettbewerbsbehörden und mahnt Unternehmen zur Vorsicht. Selbst eine „milde“ strafrechtliche Lösung ist kein Freibrief. Wer an Ausschreibungen teilnimmt, sollte Transparenz, Fairness und interne Kontrolle zur obersten Priorität machen.