VwGH stärkt Rechte bei Anfechtung von Teilnahmeunterlagen
Unternehmen können unfaire Ausschreibungsbedingungen auch dann anfechten, wenn sie selbst davon ausgeschlossen wären. Eine aktuelle Entscheidung des VwGH schafft mehr Rechtssicherheit.
Der Anlassfall: Eigenerbringung als Ausschlusskriterium
In einem wettbewerblichen Dialog des Landes Tirol über die Planung und Ausführung eines Bauvorhabens sollten rund 40 Prozent der Leistungen zwingend von den Bewerber:innen selbst erbracht werden – eine Weitergabe an Subunternehmen war ausgeschlossen. Eine Unternehmerin sah darin eine unzulässige Einschränkung und bekämpfte die Teilnahmeunterlagen pauschal.
Das Verwaltungsgericht wies den Nachprüfungsantrag mit der Begründung zurück, dass die Unternehmerin ohnehin nicht in der Lage sei, die geforderten Leistungen selbst zu erbringen. Sie verfüge weder über den geforderten Mindestumsatz noch über eine ausreichend hohe Versicherung. Es fehle daher an einem rechtlich geschützten Interesse.
VwGH: Auch bei fehlender Eignung kann angefochten werden
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hob diese Entscheidung auf. Die Begründung des Gerichts sei unzulässig: Gerade die Eigenerbringungspflicht war ja Gegenstand der Rüge. Es könne daher nicht verlangt werden, dass das Unternehmen die strittige Anforderung bereits erfüllt, denn sonst wäre eine rechtliche Überprüfung gerade nicht möglich.
Der VwGH verweist dabei auf die ständige Rechtsprechung des EuGH: Ein Unternehmen kann auch dann die Nichtigerklärung einzelner Ausschreibungsteile beantragen, wenn es diese (noch) nicht erfüllt.
Aber: Rüge muss konkret sein – sonst keine Prüfung
Nicht erfolgreich war die Bewerbergemeinschaft hingegen mit Bezug auf andere Ausschreibungsanforderungen – etwa zum Mindestjahresumsatz oder zur Betriebshaftpflichtversicherung. Diese wurden nicht konkret als rechtswidrig gerügt, weshalb das Gericht sie prüfen durfte, aber nur mit Vorhalt.
Weil das Verwaltungsgericht diesen Vorhalt unterließ, rügte der VwGH auch eine Verletzung des Parteiengehörs: Die Antragstellerin hätte die Gelegenheit bekommen müssen, auf den neuen Ablehnungsgrund zu reagieren.
Fazit: Prüfen, rügen und konkret bleiben
Für Unternehmen ist das Erkenntnis von hoher Relevanz:
- Unfaire oder unverhältnismäßige Ausschreibungsbedingungen können rechtlich angegriffen werden, auch ohne eigene Eignung.
- Voraussetzung ist aber eine konkrete, gezielte Rüge.
- Verfahrensrechte wie das Parteiengehör sind zu beachten, Überraschungsentscheidungen sind unzulässig.
Damit schafft der VwGH Rechtssicherheit und schützt den fairen Zugang zu öffentlichen Aufträgen – selbst bei komplexen Vergabeverfahren.